«Ich bin echt froh, kann ich raus und arbeiten.» Lidija Radosavljevic ist gerne Trampilotin. Auch jetzt, während der Pandemie. Auf die Frage, wie sie die Stimmung derzeit wahrnehme, senkt sie trotzdem die Stimme und meint nachdenklich: «Bedrückend. Es ist sehr bedrückend.»Geschlossene Geschäfte überall und es sei zu beobachten, wie die Menschen einander ausweichen. Auch das Tram sei oft leer, jedenfalls am frühen Morgen und abends. Nur die wenigen Tramlinien, die entlang der Spitäler fahren, die seien noch gut genutzt.

Das alles lässt nicht unberührt, ebenso wenig die geschlossene Scheibe: «Ich fühle mich ein wenig abgetrennt von der Welt. Kontakt zu den Fahrgästen gibt es kaum noch.» Schwierig sei das vor allem, wenn jemand einsteigt, der Hilfe braucht. Eine Person im Rollstuhl etwa. «Man möchte helfen, aber was ist, wenn ich diesen Menschen vielleicht anstecke?» Schliesslich kann sich das Fahrpersonal im Führerstand trotz allem nicht komplett abschotten. Zwischendurch muss man auch mal aussteigen. «Bei einer Türstörung etwa, da fasse ich doch auch alles an», überlegt sie. «Klar, ich desinfiziere meine Hände anschliessend, aber allem komplett aus dem Weg zu gehen ist schwierig in unserem Beruf.» Auch im Miteinander mit den Arbeitskollegen wird die Veränderung spürbar: «Wir pflegen eigentlich einen sehr herzlichen Umgang miteinander. Jetzt versuchen wir, den Abstand zu wahren. Unweigerlich kommt man einander im Gespräch aber unbewusst wieder näher, merkt es, korrigiert es wieder.»

Familienmensch und berufstätig

Die Trampilotin, die seit 11 Jahren im Fahrdienst ist, verhält sich in diesen Tagen sehr bewusst. Trotzdem fällt ihr – als offenkundiger Familienmensch – die Situation schwer. Sie macht sich ständig Gedanken. Um ihre Eltern, denen sie eingeimpft hat, zu Hause zu bleiben, «auch wenn sie sehr traurig sind und kaum fassen können, dass es kein Zusammensein der Familie an Ostern gibt. Kein gemeinsames Essen, keine Kirche». Sie macht sich auch Gedanken um die Arbeitskolleginnen und –kollegen. Um den, der doch schon vorher ein Problem mit der Lunge hatte und zu Hause bleiben muss. Oder um jenen, der Blutverdünner einnehmen muss: «All diese Menschen sind meine zweite Familie. Ich hoffe, es geht ihnen gut.» Vor allem aber macht sie sich Gedanken um ihre 7-jährige Tochter, bei welcher – gesundheitlich bedingt – «erhöhte Wachsamkeit geboten sei», wie es im Fachjargon heisst.

«Ich gehe direkt ins Badezimmer, schmeisse alle Kleider in die Wäsche, wasche Hände und Gesicht mit Seife. Auch der Julia habe ich das beigebracht. Nach jedem Kellergang Hände einseifen! Die Türklinken schrubbe mit verdünntem Essig, Desinfektionsmittel bekommt man ja kaum noch. Es ist schon ein bisschen ein Stress»: Der Feierabend der jungen Mutter klingt alles andere als entspannt. Bis vor kurzem war sie zu vollzeitlich im Schichtdienst angestellt, damit sich ihr Mann mit einer Weiterbildung beruflich verbessern konnte. Und Weiterbildungen sind bekanntlich teuer. Erst seit Anfang Jahr ist sie halbtags daheim. «Zum Glück», seufzt sie, «das ginge sonst nicht». Zuvor hatte ihr nämlich die gesamte Familie den Rücken bei der Betreuung gestärkt: Eltern, Schwiegereltern, Tanten… Undenkbar, in dieser Situation.

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«Wo wir arbeiten, lebt Zürich»: Unser Versprechen gilt in guten Zeiten und auch in diesen. Zürich lebt, auch wenn es gerade etwas aus dem Takt gekommen ist. Darüber, wie es unserer Stadt und ihnen so geht, erzählen Zürcherinnen und Zürcher gemeinsam mit uns in der Serie #sogahtsZüri – auf vbz.ch und auf vbzonline.ch.