Erschöpft, aber mit einem entspannten Lächeln sitzt Julian Zigerli auf einer Couch in seinem Atelier unweit des Zürcher Letziparks. Die letzten Tage haben ihn und sein Team gefordert: «Wir wurden mit Schutzmasken-Bestellungen förmlich überrannt und kamen zeitweise fast nicht mehr hinterher. Doch jetzt sind wir endlich mit allem nach und haben – zumindest für den Moment – alle Masken ausgeliefert», erzählt der 36-Jährige und nippt an einem Glas Mineralwasser.

Julian Zigerlis Masken sind begehrt

Der Sinneswandel: Eine Schutzmaske, die gut aussieht

Als kreativer Freigeist hat Zigerli schon so einiges ausprobiert und gehört sicher nicht zu denen, die sich scheuen, mit Mode zu experimentieren. Als seine Praktikanten ihn aber zu Beginn der Coronakrise davon überzeugen wollten, Schutzmasken herzustellen, schüttelte er nur den Kopf: «Ich dachte, dass hierzulande doch niemand damit rumlaufen geschweige denn dafür Geld bezahlen würde. Zumal uns ja lange weisgemacht wurde, dass Schutzmasken nichts nützen.» Doch da Zigerli seinen Laden in der Zürcher Altstadt aufgrund des sich ausbreitenden Coronavirus schliessen musste und auch die Kreation seiner nächsten Kollektion vorerst auf Eis gelegt war, gab er nach. So entstand in seinem Atelier kurze Zeit später der Prototyp einer Zigerli-Maske und der Designer befand höchstpersönlich: Die sieht richtig gut aus! «Als ich merkte, dass die Masken auch als Fashion-Accessoire taugen, begann es für mich Sinn zu machen», erinnert er sich an seinen Sinneswandel. Er hatte den richtigen Riecher: Nur wenige Wochen später empfahl der Bundesrat das Tragen von Schutzmasken im öffentlichen Verkehr und selbst den Züri-Trams der VBZ wurden Hygienemasken auflackiert.

Schutzmasken aus Hemdstoffen

Mit Hilfe aktueller und ehemaliger Praktikanten, Familie und Freunden nähte Julian Zigerli in seinem Atelier innert kürzester Zeit rund 700 Masken. Ein enormer Zeitaufwand, wenn man bedenkt, dass es für die Herstellung einer Maske fast 15 bis 20 Minuten braucht. Weitere Schutzmasken liess der Zürcher am Produktionsstandort in Bulgarien nähen – in der Hoffnung, dass sie rechtzeitig in der Schweiz eintreffen würden.

Gefertigt wurden die Masken aus vorrätigen Stoffen, die ursprünglich für Hemden verwendet wurden. Damit ist jede Maske von Julian Zigerli auch eine Hommage an eine seiner früheren Kollektionen und passt im besten Fall sogar zum Outfit, welches man bereits zuhause im Schrank hängen hat. «Wir begannen bereits vor einiger Zeit damit, unser Stoffmaterial aufzubrauchen und für neue Projekte zu verwenden. So entstand beispielsweise Anfang Jahr «Interieurli» – eine Kollektion aus Kissen und Decken», erzählt der Designer.

Julian Zigerli setzt auf den Trend Maske

Die Homewear-Stücke erwiesen sich in den letzten Wochen, in denen das Zuhause für uns alle zum Lebensmittelpunkt wurde, ebenfalls als äusserst beliebt und halfen dem Modelabel während der Coronakrise zu überleben.

Die Gesetze der Modebranche auflösen

Julian Zigerli weiss, was es heisst, sich immer wieder neu zu erfinden. «Auch wenn wir als Modelabel sehr klassisch arbeiten und pro Jahr zwei Kollektionen herausbringen, haben wir immer mehr gemacht als nur Kleider. Ich finde es schön, wenn wir mit Pieces wie Socken, Sonnenbrillen oder Schlüsselanhänger auch Leuten, denen unsere Mode vielleicht zu extravagant ist, einen Zugang zu unserem Label verschaffen können», findet Zigerli, der auch als Gastdozent an der Hochschule für Gestaltung und Kunst Basel engagiert ist. So oder so, sagt er, gehe es ihm auch darum, die Gesetze der Modebranche etwas aufzulösen. So hat er beispielsweise entschieden, seine Kollektionen nicht mehr an den grossen Fashion Weeks zu präsentieren, sondern sie bei kleineren Shows in Zürich oder Berlin lieber direkt den Kunden zu zeigen. Zu denen gehören inzwischen Damen und Herren. «Ursprünglich haben wir unseren Brand als Herrenmodelabel gegründet, aber unsere Mode hat immer auch Frauen angesprochen. Seit 2017 machen wir nun offiziell auch Women’s Wear. Doch auch hier verwischen die Grenzen und es gibt nichts, was nicht von beiden Geschlechtern getragen werden könnte. Deshalb gibt es auch in unserem Flagship Store keine klare Trennung zwischen Damen- und Herrenteilen. Jeder soll das kaufen, was ihm gefällt.»

Sieh dir diesen Beitrag auf Instagram an

MASK ON with @watson_news Our special edition #zigerlimask we created for #WATSON is now available online 😷 SHOP.JULIANZIGERLI.COM

Ein Beitrag geteilt von JULIAN ZIGERLI (@julianzigerliofficial) am

Ein Gespür für Veränderungen

Zu weit in die Zukunft blicken mag Julian Zigerli nicht: «Ich bin froh, dass wir dank dem Verkauf der Schutzmasken erstmal alle Rechnungen begleichen konnten. Wie’s weitergeht, werden wir sehen. Lustigerweise hatten wir immer ein gutes Gespür für Veränderungen und dafür, mit der Zeit zu gehen. Am Schluss fügt sich irgendwie immer alles.»

Die Schutzmasken von Julian Zigerli sind online unter www.julianzigerli.com oder in seinem Flagship Store am Rindermarkt 14 im Zürcher Niederdorf erhältlich.