Abgesehen von den vorbeirollenden Trams der VBZ und dem Vogelgezwitscher, das darauf hindeutet, dass der Frühling nicht mehr allzu lange herbeigesehnt werden muss, ist es an diesem frühen Morgen Anfang März noch ruhig am Limmatquai. Nur unter den «Bögen», vis-à-vis des Rathauses, herrscht schon frühmorgens reger Betrieb. Fritz Schneiter und seine Tochter Claudia bauen routiniert ihren Blumenstand auf. Voller Elan schleppen sie Eimer herbei, die sie beim nahegelegenen Brunnen am Rüdenplatz mit Wasser gefüllt haben. «Seit ich hier arbeite, muss ich gottseidank keinen Sport mehr machen», lacht Claudia und macht sich auf, gleich den nächsten Kübel zu holen.

Mit Claudia ist bereits die dritte Generation der Familie Schneiter, die den Blumenstand unter den Arkaden am Zürcher Limmatquai seit 1959 betreibt, am Werk. Nachdem sie ihren Vater Fritz bereits über Jahre als Aushilfe unterstütz hat, ist sie vor fast exakt 8 Jahren fest ins Blumengeschäft eingestiegen. «Ich war damals längere Zeit auf Reisen. Als ich zurückkam, wusste ich nicht so recht, wie weiter. Zurück zur Bank wollte ich aber keinesfalls. So ergab es sich, dass ich im Betrieb meines Vaters anfing», erinnert sich die heute 36-Jährige.


Seither agieren sie und ihr Vater Fritz als Team, das einzig von der flinken Helferin Jenni unterstützt wird. «Überraschenderweise harmonieren wir ziemlich gut miteinander. Wir ticken so anders und doch so gleich, dass wir uns bestens ergänzen», erklärt Claudia. Ab und zu «chlöpfe» es natürlich trotzdem einmal, bestätigt die Tochter. «Dann gehen wir uns einfach aus dem Weg, bis wir uns beide wieder beruhigt haben. Lange dauert das meistens nicht.»

Blühende Familientradition

Die Arbeiten haben sich die beiden nach ihren jeweiligen Vorlieben aufgeteilt: Während Fritz jeden Morgen zur Blumenbörse in Wangen bei Dübendorf fährt, um dort die Blumen einzukaufen, kümmert sich Claudia um die Auslieferung der Daueraufträge und das Büro. Als gemeinsame Basis dient ihnen der Blumenstand am Limmatquai 52, den sie jeden Morgen auf- und am Abend wieder abbauen. Hier, geschützt durch die Arkaden, strahlen Rosen, Tulpen, Ranunkeln, Nelken und andere saisonale Blumen, in feinsäuberlich arrangierten Eimern voll Wasser, um die Wette. Kaum ein Passant kommt hier vorbei, ohne einen Moment innezuhalten und die hübsche Blumenpracht zu bestaunen. Und nicht selten nimmt er dann gleich ein Sträusschen für einen lieben Verwandten, Freund oder sich selbst mit nach Hause.

Mit dem Stand führen Fritz und Claudia Schneiter das Erbe ihres Vaters und Grossvaters Otto weiter. Dieser kam Anfang der 50er-Jahre auf Wanderschaft nach Zürich und machte sich bald einen Namen als Rosenverkäufer. Schnell merkte er, dass es sich lohnt, grössere Mengen direkt beim Lieferanten in Italien einzukaufen. Der Grundstein für sein Engros-Geschäft war gelegt und er begann, seine Blumen an mehrere Floristen in Zürich zu verkaufen – unter anderem auch dem Blumenstand unter den Bögen am Limmatquai. Diesen konnte er 1959 übernehmen. 1969 trat dann sein Sohn Fritz in den Betrieb ein und übernahm ihn wenig später, als sein Vater das Geschäft sonst hätte aufgeben müssen. «Das war nicht unbedingt meine Absicht, denn ich sah ja, wie viel mein Vater arbeitete und wie selten er zuhause war», erzählt der 68-Jährige zurückblickend. Trotzdem, die Arbeit mit den Blumen und die Interaktion mit den Passanten bereiteten ihm Freude und so blieb er – bis heute.

Im Wandel der Zeit

Natürlich hat sich das Geschäft über die letzten 50 Jahre stark gewandelt. «Vor 25 Jahren verkauften wir am Stand fast doppelt so viele Blumen. Da kamen die Leute hier in die nahegelegene Marktgasse, um Milchwaren, Brot, Fleisch und Fisch einzukaufen und ich machte ihnen währenddessen ein Blüemli parat», erinnert sich Fritz Schneiter. Reumütig ist er deswegen nicht und fügt an: «Seit Claudia mit an Bord ist, beliefern wir dafür viele Gastrobetriebe in ganz Zürich und ich pflege weiterhin die Kundschaft am Stand.»

Die nächsten zwei bis drei Jahre möchte Fritz den Stand «Blueme under de Böge» mit seiner Tochter Claudia noch weiterführen. Spätestens wenn 2023 die Renovationsarbeiten an der Rathausbrücke beginnen, soll dann aber Schluss sein. «So sehr ich diesen Platz liebe und er über all die Jahre zu meinem zweiten Wohnzimmer geworden ist, werde auch ich älter und muss ich mich nun langsam lösen», erklärt Fritz. Auch Claudia hat sich entschieden, spätestens dann, wenn ihr Vater in den Ruhestand geht, beruflich neue Wege einzuschlagen und sagt schon fast etwas nostalgisch: «Ich werde es vermissen, das ‘Bluememeitli’ zu sein.» Dass die Ära der Familie Schneiter und ihrem Blumenstand schon in absehbarer Zeit zu Ende gehen wird und Zürich damit eine weitere Institution verliert, will man noch gar nicht so recht glauben. Geniessen wir daher noch einmal diesen sonnigen Morgen Anfang März und erfreuen uns an der Blumenpracht.

Der Blumenstand «Blueme under de Böge» hat gewöhnlich täglich, ausser mittwochs und sonntags, geöffnet. Aufgrund der aktuellen Massnahmen des Bundesrates zur Eindämmung des Coronavirus bleibt das Geschäft bis auf Weiteres geschlossen. Kundinnen und Kunden im Raum Zürich bieten Claudia und Fritz Schneiter zurzeit einen Lieferservice an. Weitere Informationen unter www.bluemeboege.ch